Klein aber Oho: Gröna Lund, Stockholm

Published by Timo Gerber on

Die nächste große Stadt die auf unserer Reiseroute steht, ist Stockholm. Auch Stockholm als die Hauptstadt Schwedens hat natürlich einen Tivolipark. Dieser thront draußen vor der Stadt auf einer der vielen Inseln und ist auch mit einer Fähre zu erreichen.

Erst einmal muss ich gestehen, dass Stockholm die wahrscheinlich schönste Großstadt ist, die je gesehen habe. Alle anderen Städte diesen Formats: Berlin, Sydney, London, Paris, Hamburg, München, Köln, Helsinki und auch Kopenhagen sind zwar auch schön und interessant, aber Stockholm scheint in jedem Winkel Geschichte zu atmen. Alle Gebäude die in der Wassernähe zu finden sind, haben einen Geschichtsträchtigen Hintergrund. Und hier nimmt sich Gröna Lund nicht aus. Auch dieser Freizeitpark lockt schon viele Jahrzehnte Stockholmer und Touristen zu vergnüglichen Stunden.

Am dritten Tag unseres Aufenthalts in Stockholm ist es endlich so weit: Wir setzen mit der Fähre „Djurgarden 8“ auf die Insel über, auf der Gröna Lund schon von weitem aus sichtbar ist. Direkt neben dem Fähranleger, vielleicht gerade mal 10 Meter entfernt geht der First Drop von dem 2021 eröffneten B&M Inverted Loop Coaster nieder. Ohrenbetäubendes Mädchenquietschen drängt uns in die Ohren. Die Vorfreude ist geweckt.

Aber zuerst müssen die Coupons in Armbänder getauscht werden und für die Frauen benötigen wir auch noch Eintrittskarten. Da sie ja nur wenige Attraktionen fahren werden, benötigen wir keine Armbänder für sie. Sondern nur so etwas wie in Bakken mit der Humorkarte oder in Linnanmäki mit den 6 Rides Coupons. Aber leider sollten beide Frauen gar nichts fahren können, da wir hier schon bei unserem größten Kritikpunkt zum Park und seinem Bezahlsystemen angekommen sind: Im Grunde gibt es nur 2 Pakete, mit denen man Eintritt erhält. Einmal ist das eben das Ridepaket, mit dem man alles fahren darf. Dieser unterteilt sich in die Möglichkeit vormittags (10 – 16 Uhr), nachmittags (16-22 Uhr) oder eben den ganzen Tag (10-22 Uhr). Das 2. Paket ist ein sogenanntes Spellbandet (Spieleband). Hier erhält man neben dem Eintritt in den Park noch 5 Coupons mit denen man an einigen Spielbuden an lustigen Spielchen teilnehmen darf. Der Preis ist so hoch wie ein Vormittags- oder Nachmittagsbändchen. Es gibt aber noch die Möglichkeit, an den Rides selbst Coupons zu kaufen. So erklärte man es uns am Eingang zum Park. Also haben wir für fast 70 Euro (insgesamt) 2 Spielbändchen für die Frauen gekauft und endlich geht es ab in den Park. Vorweg will ich nehmen, dass es keine Coupons mehr an den Bahnen gibt, obwohl es teilweise noch an den Eingängen auf Plakaten angeschlagen steht. Der Park scheint hier noch in einer Umstellungsphase zu sein. Stattdessen soll man sogenannte JetPässe kaufen. Diese kosten dann je nach Ride (30 bis 120 Schwedische Kronen). Die gibt es aber nur direkt an den sogenannten JetPass Eingängen. Also auch nur an den größeren Attraktionen. Und dann auch nur zu bestimmten Einlasszeiten und mit begrenztem Kontingent. Wir haben es auch an der einen oder anderen Attraktion versucht. Aber der Bezahlvorgang ließ sich nicht abschließen. Außerdem müsste dann derjenige mit dem gekauftem JetPass durch den jeweiligen JetPass Eingang zu der angegeben Zeit in den Ride und versuchen dort auf seine Mitfahrer zu warten, die sich in der normale Schlange anstellen, wenn man denn gemeinsam fahren möchte. Das ist viel zu umständlich. Mit den alten Coupons war das aber wohl viel zu einfach, deshalb musste etwas Neues her.

Wenn auch das System mit den Tickets und JetPässen wenig Spaß macht, der Park selbst ist einfach wunderschön direkt am Meer gelegen und man hat von der Promenade einen herrlichen Blick auf die Altstadt von Stockholm. Und auch jede größere Achterbahn oder auch die Freifalltürme sind immer so platziert, dass die Mitfahrer und Mitfahrerinnen den besten Blick auf das Meer oder das Stadtpanorama haben.

Weiteres Merkmal von Gröna Lund ist, wie dicht die Achterbahnen aneinander stehen. Meist sind die Bahnen auch eng miteinander verschlungen. 8 (!) Achterbahnen warten hier auf einer minimalen Grundfläche und meist auch direkt an der Promenade auf ihre Gäste. Leider hatte der Hybrid Coaster (Stahlgestänge und Holzschienen) „Twister“ wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Somit galt es für uns Coaster-Buddies 7 Counts zu ergattern.

Den Start in die Sause machte „Vilda Musen“. Also eine wilde Maus. Und diese hier in Gröna Lund macht ihrem Namen alle ehre. Da können die Standard Layouts einpacken. Hier fahren die Wagen kreuz und quer durch das Gestänge der älteren Schwarzkopf inspirierten Achterbahn „Jetline“. Und ich bin noch nie eine wilde Maus mit „gebangten“ Kurven (Nach innen gebogene Kurven) gefahren. Irre Fahrt.

Durch Achterbahngewimmel: Vilda Musen

Nach der Wilden Maus musste dann natürlich der „Jetline“ folgen. Wenn wir schon durch das Gestänge gefahren sind, dann wollten wir auch die eigentliche Bahn fahren. Kurz anstehen, denn diese Bahn ist ein Kapazitätsmonster. Mit 3 Zügen, machen die Angestellten einen guten Job und die Besucher werden schnell und zügig in die Bahn gesetzt und wieder heraus gescheucht. Aber da merkt man auch schnell, wer von den Besuchern schon intensiv Achterbahnen gefahren ist und wer noch blutiger Anfänger ist. Der Zug wird wie bei den reisenden Achterbahnen üblich in einer langgezogenen Kurve mit einem Kettenlift nach oben gezogen. Langsam gibt die Kette uns frei und wir sausen über eine langgezogene Gerade durch einen Tunnel voller Nebel, um dann dann gleich wieder nach oben zurück zur Hauptbahn zurückgeführt zu werden. Die Bahn scheint um diesen Teil nachträglich erweitert worden zu sein. Das macht sie somit auch einzigartig. Dann geht aber das normale Berg- und Talbahngeplänkel los. Hoch und runter, und in 2 Helixen immer weiter nach unten. Dass es dann doch keine reine Schwarzkopfachterbahn ist, merkt man am Fahrverhalten. Der eine oder andere Schlag wird schon verteilt. Aber alles in allem eine schöne und erhaltungswürdige Bahn mit einem wunderschönen Ausblick auf Stockholm.

Von 1988: Jetline

Knut und ich haben aber einen heimlichen Favoriten: „Insane“, der große Bruder von „Kirnu“, also der „Murmelbahn“ in Helsinki. Schon hier waren wir von der ruhigen Fahrweise, aber den tollen und verrückten Fahrfiguren überrascht. Insane ist hier noch eine ganze Nummer größer, höher und vor allem schneller. Und dann, ich kann es gar nicht oft genug schreiben: Der waaaaahnisnn Blick auf Stockholm und plötzlich kippen wir ab in Richtung Meer. Denn wenn man auf der richtigen Seite der Gondel sitzt, dann hat man einen tollen Blick in die Ferne. Aber ab einem bestimmt Punkt hält der Wagen dann direkt auf das Meer zu, nur um uns dann wieder nach hinten zu reißen, gen Himmel zu schleudern und wieder auf Stockholm zu zufahren. Und dann können wir sowieso nicht mehr feststellen wo, wann und wer wir sind. So sehr werden wir gedreht und durch die Bahn abwärts fallen gelassen. Die höchste Schiene ragt eben über die Promenadenkante direkt auf das Meer hinaus. Das ist ein eindeutiger Standortvorteil dieser Bahn. Genau an der Stelle, wo diese Bahn steht, da steht sie richtig. Noch nie war eine Achterbahn so hervorragend platziert, wie diese Murmelbahn.

Insane: Die große Murmelbahn.

Da unsere Frauen mit ihren Spielbändchen nichts fahren können und auch wegen der komplizierten JetPässe nichts fahren wollen, halten wir immer wieder nach ihnen Ausschau und laden sie zum Essen oder auch zum Eis ein. Auf dem Weg zum Standort unserer Frauen stoßen wir auf einen Ghost Train. Eine Geisterbahn, die von außen nicht so aussieht, als wäre sie gruselig. Doch innen drin ist es wirklich stockduster und die Effekte sind sehr gut platziert und inszeniert. Also Kinder können sich hier schon gruseln. Wir freuen uns über die gut gemachten Effekte in „Blå Taget“.

Auf einer Plattform im Wasser bieten 2 Stände unterschiedliches Essen an: Smashed Burger, Fries und/oder Chicken Wings und der andere Stand asiatische Wokpfannen und Sushi. Zwischen den Ständen sind genügend beschattete Tische und Bänke. Und ich muss es wiederholen: Dieser Blick über das, durch die Mittagssonne beglitzerte Meer, auf Stockholm hebt unsere Pause und die Stimmung unserer Frauen auf ein höheres Level.

Frisch gestärkt geht es an die nächsten Coaster-Counts. „Monster – The King of Rollercoasters“, die schon eingangs erwähnte Kreischmaschine, soll unsere nächste Beute werden. Die Wartezeit ist mit 10-20 Minuten angegeben. Das können wir uns aber gar nicht so recht vorstellen. Denn es handelt sich hier um den gleichen Bahntyp wie die „Black Mamba“ im Phantasialand. Und wer die kennt, der weiß, dass diese Bahnen ihre Fahrer regelrecht wegfressen können. Aber dazu benötigt man gut geschultes Personal und vor allem mehrere Angestellte, die vor allem die unerfahrenen Besucher korrekt und zügig einweisen. Bei unserer ersten Fahrt kommt die geschätzte Wartezeit sogar ziemlich genau hin. Aber die EinweiserInnen haben so ihr liebe Mühe mit den ganzen Jugendlichen, die völlig durcheinander laufen und wenig auf die Anweisungen hören. Die Station liegt unter dem Park. Gröna Lund hat überhaupt keinen Platz um einen Achterbahnbahnhof ebenerdig zu bauen. Dafür ist der Platz viel zu wertvoll. Als wir dann endlich in der 2. Reihe des Coaster sitzen dauert es immer noch einige Minuten bis wir tatsächlich starten. Es geht dann aus der Station raus direkt auf den Kettenlift. Und natürlich staunt man auch hier über den atemberaubenden Ausblick auf Stockholm. Aber nur kurz, denn dann dreht sich die Bahn ein um sehr schnell in die Tiefe zu rasen. In sanfter Fahrt fegt Monster dann über den Köpfen der Parkbesucher hinweg. Es gibt viele „Near Miss“ Effekte (Beinahe Kollisionen) mit Budendächern oder Achterbahngestänge. Und wir fahren durch verschiedenste Gerüche der unterschiedlichen Speiseständen. Döner, Burger und Popcorn. Alles lässt sich gut zuordnen. Die Fahrt ist so kurz, dass der nächste Zug noch lange nicht abgefertigt ist und wir recht lange auf unseren Plätzen warten müssen.

Monster – King of the Rollercoasters

Aber es gibt noch einen „versteckten“ Parkteil, der nur über eine lange Treppe zu erreichen ist. In diesem Parkteil sind noch 2 Kiddie-Rollercoaster versteckt. Wir beginnen ohne große Wartezeit mit dem „Tuff-Tuff Tåget“. Ein langer Zug, der sich in Wilder Maus Manier immer hin- und her wieder zurück in die Station schlängelt. Das Teil macht erstaunlich viel Spaß. Vor allem in der letzten Reihe. So wird man immer um die Kurve gezogen. Das ist schon ganz ordentlich. Kein hart erkämpfter Count. Auch mit dem Angestellten hatten wir viel Spaß. Und er auch mit uns. Ich würde sagen, wir haben die Szenerie etwas aufgelockert.

Tuff Tuff Tåget: Cooler Kiddie Coaster

Der 2. Kiddie-Ride ist „Nyckelpigan“. Eine Marienkäferbahn. Diese Zierer Bahn kennen wir schon gut und freuen uns auf 3 vergnügliche Runden. Die Wartezeit ist recht lang, weil diese Bahn einen sehr kurzen Zug hat. Aber für einen Count warten wir gern auf die Fahrt.

Marienkäfer 🐞 immer im Kreis

Nun fehlt nur noch ein Count: „Kvasten“ Das heißt so viel wie Besen. Es geht hier um einen Hexenbesen. Ein Family Suspended Coaster, der hier durch den Park seine kurzen Runden dreht. Macht aber Spaß. Vor allem wenn man sieht, dass die Ride Operatoren eine Uhr mitlaufen lassen, wie schnell sie denn gerade in der Abfertigung sind. Denn Kvasten verfügt nur über einen Zug und entsprechend lange sind die Wartezeiten für die Besucher. Da macht dann eine gute Abfertigung natürlich Sinn. Es ist spürbar, dass die Angestellten hier Spaß bei der Arbeit haben.

Knasten: der Hexenbesen ist schön thematisiert.
Kvasten: Unter der Schiene durch den Park.

Nach Kvasten planen wir unsere Wiederholungsfahrten. Mittlerweile verlassen die Kiddies den Park und ältere Jugendliche strömen mit ihren Nachmittagsbändern in den Park. Und vor allem in die „großen“ Achterbahnen. Wir fahren die wilde Maus, Jetline, Insane und Monster noch einmal. Und je später der Abend um so schlimmer wird es an den Bahnen. Monster zum Beispiel, hat plötzlich 2 Warteschlangen. Einmal der JetPass Eingang und die normale Warteschlange. Nun warten alle erheblich länger als die Zeitangabe 20-30 Minuten verlauten lässt. Hier stellt sich der Park selbst ein Bein mit diesem unsäglichen JetPass System.

Aber der schöne Park, die schöne Lage und die mittlerweile tief stehende goldene Sonne lassen den Tag wundervoll ausklingen. Eine letzte Fahrt auf dem Wellenflieger (Kettenkarussell), welcher auf einer Plattform im Wasser steht. Und auch wenn ich mich wiederhole: Einen wunderschönen Ausblick auf das Meer und Stockholms Altstadt bietet.

Wellenflieger im goldenen Abendrot

Fazit zum Park: Fast jede Attraktion versucht Stockholm in das beste Licht zu rücken. Das macht Spaß und lässt mir immer wieder vor Staunen den Mund offen stehen. Es macht Freude an der Promenade entlang zu laufen. Für kleiner Kinder gibt es den etwas abseits liegenden Parkteil, in dem die Kleinen auch mit weniger Betreuung laufen gelassen werden können. Dennoch spielt der Park seine Stärken eher für Jugendliche und Erwachsene aus. An bestimmten Tagen finden auch Musikkonzerte im Park statt. Das gibt bestimmt ein noch schöneres Flair. Aber der Park ist klein und zum Flanieren ist hier wenig Platz. Wer also nicht so viele Attraktionen fahren möchte, hat nicht so viele Möglichkeiten seine Zeit zu vertreiben. Und mit den neuen Eintrittspreisen wird das eigentliche Tivoliprinzip (günstiger oder kein Eintritt, aber die Attraktionen kosten extra) ausgehebelt. Hätten wir das früher gewusst, unsere Frauen wären nicht mitgekommen. Und so war ich doch insgesamt auch etwas enttäuscht. Ich hatte mich gerade auf diesen Park so sehr gefreut. Wahrscheinlich waren meine Erwartungen einfach zu hoch.

Gröna Lund im goldenen Midsommer Licht